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Literatur


von Fritz Riemann
Broschiert
Ausgabe: 41., Aufl.
Verlag: Reinhardt, Ernst
Erscheinungsjahr: 2013
ISBN: 3497024228
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Kommentare und Bewertungen zu diesem Buch

Riemann Fritz: Grundformen der Angst
(Buchbesprechung aus Existenzanalyse 2003, 20. Jahrgang, Nr. 2, S. 80-81)


Der Psychologe und Psychoanalytiker Fritz Riemann schrieb sein bekanntestes Buch über die Grundformen der Angst 1961, hier liegt uns sein Werk bereits in der 32. Auflage vor.
Die Grundüberlegung, nach der Riemann die vier Grundformen der Angst einteilt, ist einfach und leicht nachvollziehbar. Er geht dabei von den vier Grundimpulsen aus, denen die Erde als Planet gehorcht. Da ist einmal die Tatsache, dass sich die Erde sowohl um sich selbst als auch um die Sonne dreht. Zum Zweiten sind es die Schwerkraft und die Fliehkraft, die die Erde in ihre bestimmten Bahnen zwingen. Diese vier Grundimpulse (Eigendrehung, Umwäl-zung, Schwerkraft und Fliehkraft) übersetzt Riemann nun auf der menschlichen Ebene ins Psychologische und kommt durch diese kosmische Analogie auf die vier grundlegenden An-forderungen, denen der Mensch in seinem Leben ausgesetzt ist. Daraus entwickelt er eine Persönlichkeitstypologie, deren vier verschiedene Persönlichkeiten jeweils durch bestimmte Grundformen der Angst gekennzeichnet sind.
Die erste Persönlichkeit, die Riemann beschreibt, ist die schizoide Persönlichkeit, die vor allem um sich selbst kreist und die es aus Angst vor Ich-Verlust und vor Abhängigkeit ver-meidet, sich hinzugeben an jemanden oder an etwas, das außerhalb seiner selbst liegt. Den Gegentypus dazu findet man in der depressiven Persönlichkeit, die sich zu stark am Außen orientiert und aus Angst vor Ungeborgenheit und Isolierung auf ihre eigene Entwicklung und auf die notwendige Selbst-Werdung verzichtet. Als nächstes wird die zwanghafte Persönlich-keit beleuchtet, die Angst hat vor Wandlung und vor Unsicherheit und die durch zu viel Kon-trolle versucht, die ständigen Veränderungen des Lebens aufzuhalten. Der Gegentypus dazu findet sich in der hysterischen Persönlichkeit, die aus Angst vor Endgültigkeit und vor Un-freiheit alles versucht, um sich nicht festlegen zu müssen.
Riemann beschreibt jede dieser vier Persönlichkeiten und die mit ihr verbundene Grundangst sehr ausführlich, bringt eine Fülle von Fallbeispielen, geht auf den spezifischen Umgang mit Liebe und mit Aggression ein und widmet sich dem charakteristischen lebensgeschichtlichen Hintergrund und dem Zusammenhang zwischen den frühkindlichen Entwicklungsphasen und der Ausbildung einer spezifischen Persönlichkeitsstruktur. Der Autor betont, dass diese vier Grundformen der Angst in jedem Menschen mehr oder weniger vorhanden sind und dass Menschen umso lebendiger werden, je mehr sie in allen vier Bereichen zu Hause sind.
Beim Durchlesen des Buches stellt sich schnell das Gefühl ein, dass die hier beschriebenen Grundtypen der Persönlichkeit einem/r ExistenzanalytikerIn recht vertraut vorkommen. Und betrachtet man die zugrunde liegenden Strukturen näher, so erkennt man tatsächlich eine Nähe zur existenzanalytischen Anthropologie.
Das Wesensmerkmal Person ist im existenzanalytischen Verständnis ihre Offenheit, durch die sie in einem dialogischen Grundverhältnis einerseits mit sich selbst, andererseits mit ih-rer Welt steht. Kommt es dabei zu Einseitigkeiten, dann verliert die Person entweder ihre Offenheit der Welt oder sich selbst gegenüber. Verzichtet ein Mensch also aus Angst vor der Welt auf seine Offenheit ihr gegenüber und richtet seinen ganzen Fokus vor allem auf sich selbst, dann entsteht eine Persönlichkeitsstruktur, die Riemann schizoid nennt. Kommt es auf der anderen Seite zu einer zu einseitigen Ausrichtung auf die Welt unter dem Ausblenden der Offenheit nach innen, dann entsteht eine depressive Persönlichkeitsstruktur.
Existenzanalytisch betrachtet ist der Mensch immer auch bezogen auf anderes, das nicht wieder er selbst ist, er steht in einem Weltbezug. Die Welt „spricht“ den Menschen an, und die so angefragte Person ist nun ihrerseits aufgefordert, Antwort zu geben. Welche Antwort jemand gibt, das steht ihm im Rahmen seiner Möglichkeiten frei. Besteht nun allerdings Angst vor dieser Wahlmöglichkeit, davor, dass alles immer in Wandlung begriffen ist, dann entwickelt sich auf diesem Boden die zwanghafte Persönlichkeit, die versucht, durch Ord-nungen und Regeln (die sich im Weiteren zu Zwängen entwickeln können), den ständigen Veränderungen zu entkommen. Jede getroffene Entscheidung bedeutet ihrerseits aber auch wieder ein Festlegen auf eine bestimmte Möglichkeit, die realisiert werden soll, wobei gleichzeitig alle anderen Möglichkeiten beiseite gelassen werden müssen. Bei Menschen, die zu viel Angst vor diesem Festgelegtsein und vor der Endgültigkeit haben, spricht Riemann, wie wir oben gesehen haben, von einer hysterischen Persönlichkeit.
Das Modell der vier Grundformen der Angst, wie es Fritz Riemann entwickelt, weist also eine Nähe zur existenzanalytischen Anthropologie auf, auch wenn sich die verwendete Ter-minologie nicht deckt. Diese Nähe hat möglicherweise mit dem phänomenologischen Zu-gang zu tun, den Riemann für seine Beschreibungen wählt und der ihn zu den existenziellen Grundlagen des Menschen führt.
So aktuell Riemanns Theorie an sich auch ist, lässt sich an verschiedenen Bemerkungen al-lerdings erkennen, dass das Buch bereits 1961 veröffentlicht und seither trotz über 30 Neu-auflagen nicht aktualisiert worden ist. Ein Beispiel dafür ist seine Feststellung, dass der ge-netische Faktor bei vorwiegendem Interesse für die Umweltforschung zu stark vernachlässigt wird. Das stimmt im Jahr 2000 – dem Erscheinungsjahr der vorliegenden Ausgabe – sicher-lich nicht mehr.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Buch sehr lebendig geschrieben ist, es ist übersicht-lich aufgebaut, es bringt viele Fallschilderungen, und lässt dadurch die einzelnen beschrie-benen Persönlichkeiten sehr plastisch hervortreten. Fritz Rieman erklärt in seiner Einleitung, dass er unter anderem dieses Buch geschrieben hat, um dem Einzelnen mehr Selbst- und Fremdverständnis zu vermitteln. Das jedenfalls gelingt ihm durch dieses Buch.


Mag. Steinert Karin
Mag.phil. Karin Steinert



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