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Fachartikel


Aufstellung mit repräsentierter Wahrnehmung
von Wolfgang Polt
Der Begriff «Repräsentierte Wahrnehmung» entstand in Anlehnung an die Systemischen Strukturaufstellungen von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd, den Begründern dieser systemischen Methode. Im Mittelpunkt der Systemischen Strukturaufstellungen bzw. der Familienaufstellungen steht das Aussprechen der körperlichen und seelischen Empfindungen, das die Repräsentanten am Aufstellungsort verspüren. Sparrer und Varga von Kibéd sprechen dabei von «repräsentierender Wahrnehmung».

Repräsentierend bedeutet in diesem Kontext: gegenwärtig passierend, sich dem Klienten zeigend durch andere Personen, die quasi als Übermittler bestimmter Empfindungen, Emotionen und Kognitionen agieren. Der Klient ist hier also dissoziiert, das heißt passiv beobachtend.

Das Faszinierende bei Familienaufstellungen, ist, zu welchen Informationen, Gedanken und Gefühlen wir in der Rolle eines Repräsentanten Zugang finden. Und bei einem solchen Repräsentierten handelt es sich meistens um Menschen, deren Geschichte wir überhaupt nicht kennen. Das geht so weit, dass wir beispielsweise durchaus fähig sind, körperliche Beschwerden der repräsentierten Person wahrzunehmen. Ein weiteres Beispiel: Menschen, die Alkoholiker repräsentieren, können in dieser Rolle nicht mehr stehen oder sprechen. Es scheint also durchaus so zu sein, dass alles mit allem vernetzt ist. Und dass wir – zumindest in den ritualisierten Abläufen einer Familienaufstellung – Zugang zu diesen vernetzten Informationen finden. Rupert Sheldrake spricht dabei vom so genannten Morphogenetischen Feld; C.G.Jung spricht vom kollektiven Unterbewussten.


Mögliche Nachteile einer Familienaufstellung
Mögliche Nachteile der Familienaufstellung sind: der Klient ist einem öffentlichen Seelenstriptease ausgesetzt; für viele durchaus ein Grund, keine Familienaufstellung zu machen. Und: der Klient ist darauf angewiesen, dass eine Familienaufstellung überhaupt erst zustande kommt, denn eine Vielzahl von Repräsentanten kann man durchaus als Luxus in solchen Beratungssettings bezeichnen.

Gegenüber den genannten Nachteilen der Familienaufstellung bietet die Systembrett-Aufstellung mit repräsentierter Wahrnehmung die Vorteile, dass der Klient in einem geschützten Rahmen aufstellen kann und dass keine Repräsentanten nötig sind.

Repräsentiert im Sinne von Polt und Rimser bedeutet hier: abgebildet durch Eigeneinfühlung repräsentieren sich Emotionen, Empfindungen und Kognitionen anderer im Klienten selbst. Unser Klient ist also assoziiert oder aktiv erlebend.

Der Zugang zu den vorher erwähnten vernetzten Informationen ist nach unserer Erfahrung auch bei der Aufstellungsarbeit mit dem Systembrett möglich.


Ablauf einer Aufstellung mit repräsentierter Wahrnehmung

Aufstellen des Problemsystems

Der Ablauf einer solchen Sitzung skizziert sich wie folgt: zuerst stellt der Klient sein als Problem erlebtes System auf. Das heißt, der Klient definiert die aufzustellenden Systemmitglieder und stellt diese auf dem Systembrett auf. Danach laden wir ihn ein, aufzustehen und sich einen Überblick über sein System zu verschaffen. Diesem Vorgang schenken wir sehr viel Raum und Zeit; schließlich kann der Klient sein System jetzt zum ersten Mal von außen wahrnehmen. Die Reaktionen sind immer wieder Aha-Erlebnisse für unsere Klienten und bestärken auch uns in der Verwendung dieses Instruments.
Danach stellen wir dem Klienten die Frage nach seiner ersten Reaktion auf das Systembild.
Jetzt laden wir den Klienten ein, in die Rolle eines Repräsentanten zu schlüpfen. Das geschieht, indem der Klient seinen Finger auf die jeweilige repräsentierende Holzfigur legt oder diese umgreift und sich so mit der zu repräsentierenden Person verbindet.
Sobald unser Klient Kontakt mit der betreffenden Person hergestellt hat und damit Zugang zu den Empfindungen, Kognitionen, Gefühlen und Ideen der repräsentierten Person gefunden hat, starten wir mit den so genannten Interviews. Das bedeutet, der Klient wird zum Sprachrohr der Repräsentanten. Und er erfährt aus eigenem Munde, was der Repräsentierte denkt. Und da ist für viele Klienten das Erstaunen sehr groß, wenn sie plötzlich in Worten der repräsentierten Person sprechen oder Sätze sagen, die sie so niemals formulieren würden. Unsere Klienten erhalten aber auch Zugang zu den Gefühlen der Repräsentierten und erleben diese am eigenen Leib. Ja, selbst körperliche Beschwerden der repräsentierten Person können von unseren Klienten wahrgenommen werden. Das Systembrett unterscheidet sich also punkto Zugang zu Informationen und Qualität des Erlebens nicht von der Familienaufstellung.
Das Interview besteht aus einem Set von sechs Fragen, in denen es einerseits um die Befindlichkeit des jeweiligen Repräsentanten und andererseits um die Verbindungen der Systemmitglieder untereinander geht.
Situativ werden dem Klienten alle oder einige dieser Fragen gestellt. Das bedeutet, dass in der Regel noch Fragen dem jeweiligen Kontext angepasst, gestellt werden. Nach Beendigung der Fragen und einer kurzen Pause schlüpft der Klient in die nächste aufgestellte Person hinein und beantwortet wieder die Interview-Fragen, solang bis er alle Systemmitglieder durch hat.
Dass dieser Prozess je nach Anzahl der aufgestellten Systemmitglieder sowohl für den Berater als auch den Klienten durchaus anspruchsvoll ist, ist vermutlich vorstellbar.

Aufstellen des Lösungssystems
Danach kommt der durchaus magische Teil: der Klient stellt sein zukünftiges Lösungssystem auf. Wir haben den tiefen Glauben, dass durch das Aufstellen des neuen Systems auf dem Brett auch Bewegung in das reale System des Klienten kommt.
Der Klient wählt die Personen, die er in seinem zukünftigen Lösungssystem sehen möchte. Das heißt, er hat die Freiheit, auch neue, im alten System noch nicht existente Personen, Eigenschaften oder Ressourcen aufzustellen. Diese stellt er auf und auch danach folgt wieder die Phase des Überblicks. Hier schenken wir wieder Raum und Zeit, bis sich unser Klient einen Überblick über sein zukünftiges System verschafft hat und alle Systemmitglieder auf den passenden und stimmigen Positionen stehen.
Danach kommt die bereits bekannte Frage nach der ersten Reaktion des Klienten.
Wiederum bitten wir ihn Kontakt zur betreffenden repräsentierten Person herzustellen und als Sprachrohr zu fungieren. Das Interview besteht jetzt aus vier Fragen, die hauptsächlich darauf gerichtet sind, die Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen System heraus zu arbeiten: wer merkt welche Unterschiede?
Wieder durchläuft der Klient alle repräsentierten Personen.

Erstellen des Aktionsplanes
Danach der dritte und letzte Schritt unserer Aufstellung mit repräsentierter Wahrnehmung:
es geht darum die ersten Schritte zu definieren, die es zu gehen gilt, um vom Problemsystem ins Lösungssystem zu gelangen. Die Nennung dieser Schritte sollte natürlich vom Klienten kommen, die Schritte sollten genau definiert und auch zeitlich messbar sein. Mit der Definition eines solchen Aktionsplans ist der dritte Schritt beendet.

Abschluss der Aufstellungsarbeit
Die Sitzung selbst wird mit einer Reflexion der Eindrücke des Klienten und des Beraters beendet. In dieser Reflexion hebt der Berater nochmals die von ihm wahrgenommenen Essenzen der Aufstellungsarbeit hervor und teilt sie dem Klienten mit. Der Klient selbst hat durch das Aussprechen seiner Erfahrungen und Erlebnisse die Chance, diese Bewusstwerdungen nochmals zu vertiefen.

Besonders geeignet
Diese Form der Aufstellungsarbeit mit dem Systembrett eignet sich unter anderem hervorragend zum Heilen von Verletzungen, für Verabschiedungen (sowohl von lebenden als auch verstorbenen Menschen), sowie zum Aufspüren von Glaubenssätzen. Diese Glaubenssätze wirken mitunter in vielen Systemmitgliedern und manchmal auch über Generationen hinweg.

Fokussierte Dokumentation
Da diese Art der Aufstellungsarbeit je nach Anzahl der Repräsentanten zwischen zwei und vier Stunden benötigt, ist es nahezu unmöglich für den Klienten, sich diesen Prozess zu merken. Der Berater schreibt bei der Aufstellung mit und bringt dies danach in digitale Form. Ein solches Protokoll bekommt unser Klient dann in einer nachfolgenden Sitzung überreicht.
Das Protokoll besteht aus zwei Teilen: der erste Teil ist eine detailgetreue Abschrift der Aufstellungsarbeit. Der zweite Teil besteht ebenfalls aus dieser Abschrift; zudem sind Sätze, die der Berater – und das wird dem Klienten ausdrücklich kommuniziert! – als erkenntnisreich, essentiell, bereichernd oder lösungsorientiert erachtet, farbig markiert, um den Klienten auf mögliche Reflexionsthemen und Ansatzpunkte für Veränderungen hinzuweisen.
Diese von Polt und Rimser als «fokussierte Dokumentation» bezeichnete Protokollierung stellt eine von unseren Klienten äußerst geschätzte Nachintervention dar.

Buch und Seminar
Eine detailliertere Beschreibung dieses sehr komplexen Verfahrens würde den Rahmen sprengen – wir verweisen Interessenten daher auf unser Buch, in dem die Aufstellung mit repräsentierter Wahrnehmung detailgenau beschrieben wird. Hier finden Sie auch ein Fallbeispiel und ein Beispiel für die fokussierte Dokumentation. Auch auf unser Seminar dürfen wir Sie in diesem Kontext verweisen, in dem auf diese Art der Aufstellungsarbeit detailliert eingegangen wird.

Feedback
Stellvertretend für viel begeistertes Feedback nach dieser Aufstellungsarbeit möchten wir Ihnen folgende Rückmeldungen von unseren Klienten vorstellen:

«Am meisten hat mich in der Aufstellung bewegt, dass ich mein System von außen gesehen habe: Die Sicht, wie einengend, wie bedrückend dieses System eigentlich wirklich für mich ist.»

«Ich habe die Erkenntnis erlangt, dass ich Hauptakteur und somit Veränderer bin!»

«Ich kann mir jetzt Dinge in meinem Leben anschauen, die ich vorher nicht anschauen konnte.»

«Diese Aufstellung hat für mich ein ganz neues Berater/Klient-Verhältnis geschaffen. Wir sind von einem beschreibenden Verfahren in ein sehendes gekommen! Das bietet mir ganz neue Sichtweisen! Ich bin sehr dankbar dafür!»

«Ich habe durch diese Arbeit meine Muster gesehen und erkannt. Jetzt kann ich daran gehen, sie zu ändern.»



Literatur: Wolfgang Polt, Markus Rimser: Aufstellungen mit dem Systembrett, Ökotopia Verlag, 2006.

Autor: Wolfgang Polt
Aufstellungen mit dem Systembrett, Beratung, Coaching, Supervision.

Nähere Informationen: www.systembrett.at, www.wohltat.at.

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